Meine Sicht auf die Männerarbeit

Meine Sicht auf die Männerarbeit

  • Knapp 95 Prozent aller Gefängnisinsassen sind Männer.
  • Der Anteil der männlichen Obdachlosen liegt bei 73 Prozent.
  • Dreiviertel aller Tatverdächtigen sind Männer.
  • Männer sind zehnmal häufiger von akuter Spielsucht betroffen.
  • In mehr als 81 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt sind Männer die Täter.
  • Und für viele unerwartet und unfassbar traurig: 75 Prozent (!) aller Suizide werden von Männern begangen.

Diese Liste könnte ich beliebig ergänzen. Das Ungleichgewicht der Geschlechter solcher Statistiken belastet unser Gemeinwesen enorm. 

Ich bin davon überzeugt, dass die Quelle für diese schädliche Schieflage dem Patriarchat entspringt, jenem System, das von Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird. Die Statistiken zeigen: Unter dem Patriarchat leiden alle Menschen, auch die Männer. Damit das System aber am Laufen bleibt, braucht es Rollenstereotype. Sie sind die Armee der kleinen Dinge des Patriarchats und beeinflussen in den meisten Fällen schon vor der Geburt den Blick der Eltern, Freunde und Angehörigen auf den kleinen Menschen. Zimmer werden blau gestrichen, Strampler mit Spiderman gekauft und Baumhäuser geplant.

Kaum aber, dass dem kleinen Wesen im Kreißsaal nach der Geburt das Geschlecht offiziell zugeschrieben wird, geht es erst richtig los. Mit weiblichen Säuglingen wird mehr gesprochen und sie werden mehr gestreichelt – von beiden Eltern. Jungs werden eher gekitzelt und zu Handlungen aufgefordert. Als Kleinkinder versorgen die Eltern Mädchen mit Puppen und Jungen mit Fahrzeugen. Mädchen lernen früh, dass sie sich kümmern und Jungs, dass sie etwas machen sollen. In Kindergarten, Schule und im Zuhause werden Jungs bald regelmäßig damit konfrontiert, dass sie keine Waschlappen, Weicheier, Memmen oder sogar Mädchen sein sollen. Sie sollen lernen sich zu behaupten, zu kämpfen und sich zu wehren. Im Erwachsenenleben geht es dann weiter. Männer, die sich nicht durchsetzen können, werden als Softie oder Schlappschwanz bezeichnet. Sie sollen ihren Mann stehen und Eier haben.

In diesem Dauerstrom der gesellschaftlichen Erwartungen verlieren Jungen und Männer dann den Zugang zu ihren eigenen Gefühlen. Sie verdrängen ihre Angst, ihre Unsicherheit und ihre Traurigkeit und überdecken dieses Defizit mit vermeintlicher Stärke oder Entschiedenheit. Die Ergebnisse einer solchen Fehlentwicklung bilden sich in den oben genannten Statistiken ab.

Aber es gibt einen Weg: Eine konsequente Chancengleichheit für Männer und Frauen in Arbeit, Familie und Gesellschaft. Eine solche Geschlechtergerechtigkeit schafft die Voraussetzungen dafür, die oben beschriebenen ungesunden Rollenstereotype zu durchbrechen. Dafür müssen wir Männer zwar Macht und Einfluss in Politik, Bildung und Öffentlicher Verwaltung mit den Frauen fair teilen (und das ist mit einem Verzicht verbunden!), aber auf anderen Feldern gewinnen wir. Mehr Zeit mit unseren Kindern, bessere soziale Beziehungen und Partnerschaften auf Augenhöhe. Zudem dürfen wir uns als Menschen so entwickeln, wie wir es wirklich wollen, unabhängig von den Erwartungen der Gesellschaft.

Am Ende des Tages, wenn das Patriarchat überwunden ist und sich die Statistiken endlich in einem Gleichgewicht einpendeln, wird diese Gesellschaft eine friedlichere, gesündere, tolerantere und gerechtere sein. Hierzu möchte ich mit meiner Männerberatung, meinen Publikationen und Vorträgen einen Beitrag leisten.